Kirchengeschichte

Nachdem Wurzen 961 als „vurzine civitas“ erstmals in einer Urkunde Kaiser Otto I. erwähnt wurde (als Burgwardmittelpunkt am Muldenübergang an der der alten Salzstraße Magdeburg – Böhmen), entwickelte sich u.a. auch die Wencels – Vorstadt als alter Siedlungskern bald mit einer eigenen Kirche St. Wenzel. Der heilige Wenzel (nach einer alten Volkstradition) gilt als Heiliger der Kaufleute und Händler, aber auch der Diebe, Räuber und Wegelagerer.
Unsere stadtbildprägende Pfarrkirche St. Wenceslai steht auf dem Sperlingsberg. Auf die slawische Vergangenheit des Hügels als Heiligtum weist links Innen an der Ecke des Nordportals der eingemauerte Kopf eines slawischen Götzenopfersteines hin: Zeichen für den Sieg der christlichen Kirche über die Naturreligion der Slawen. Damit muss der Götze muß jetzt das Gebäude der Kirche tragen. Einschränkend muss zu dieser Interpretation muss gesagt werden, dass sie wissenschaftlich nicht belegt ist.

Ihre Lage als Stadtkirche „vor den Mauern“ gilt als einmalige Besonderheit. Deshalb heißt auch die in Schöttgens Chronik (1717) überlieferten Redensart: ,,Wenn die Wurzener in die Kirche gehen sollen, so laufen sie zum Tor hinaus“.

In der Mitte des 13. Jh. wurde sie gestiftet,  1275 erstmals urkundlich genannt. 1340 n.Chr. wird sie als ,,Kapellchen“ auf dem Wencelskirchhof erwähnt und dem Wurzener Kollegiatstift ,,einverleibt“, d.h. Dienste und Einkünfte an St. Wenceslai fielen den Domherren zu. Als Hauptkirche hat sie die ältere Jacobskirche recht bald abgelöst, die um 1340 nur noch durch einen ,,vicarius“ (Vikar, der „weiter oben auf dem Berg Dienst tut“) geistlich versorgt wird.
Die jetzige Kirche stammt im Wesentlichen aus dem Anfang des 16. Jh.. Die Jahreszahl am Turmeingang M:CCCCC:XIII (1513) weist wahrscheinlich auf den vorläufigen Abschluß eines Neubaus in dieser Zeit hin. Sie ist eine spätgotische Hallenkirche (vierjochiges-Langhaus mit achteckigen Pfeilern).
Der mächtige quadratische Turm trägt auf der Stadtansicht von Dilich 1628 noch ein Satteldach.

1637 wird die Kirche fast vollständig in der Kreuz- und Marterwoche durch die Schweden zerstört. Die Schweden füllten sie mit brennbaren Materialien und zündeten sie an. Außer den Mauern wurde alles Übrige ein Raub der Flammen. Die Kirche wird schon 1663 bis 1673 wiederaufgebaut. 1689 erhielt der Turm seine barocke Haube, die er heute noch trägt.

Wenceslaikirche
Stadtansicht aus dem 19. Jahrhundert und aktuelles Aussehen der Sankt Wenceslai

Das Chorraumgewölbe, das 1637 ebenfalls zusammengestürzt war, wurde 1673 dem gotischen Gewölbe nachgebaut, allerdings in typischer Barockform. Die jetzige Farbgebung (grau mit weißen Scheinfugen, z.T. schwarz umrandet entspricht der ersten Farbgebung nach dem Wiederaufbau. Rechts neben dem Altar ist ein Stück gotischer Putz zu sehen (rotgefärbt). 1673 war dieser abgehackt und überputzt worden.

Die Kassettendecke von 1673 ist 1926 im Stil und Zeitgeist neu bemalt worden. 2008 erhielt die 1997 erneuerte Kassettendecke dann wieder ihre barocke Bemalung, die sie durch die neugotische Gestaltung des Kircheninneren 1873/74 zusammen mit der vollständigen barocken Einrichtung eingebüßt hatte.
Durch lange unterbliebene Unterhaltung liefen große Schäden auf: Turmhaube und Schieferdach wurden, sicher viel zu spät, erneuert. Wegen der absturzgefährdeten Kassettendecke des Hauptschiffes mußte das Kirchenschiff gesperrt werden, am 24. Dezember 1975 fand der letzte Gottesdienst statt. In der Folge wurde der Chor durch eine gläserne Wand vom Hauptschiff abgetrennt und der Chorraum als Winterkirche hergerichtet. Dieser Raum konnte im Oktober 1989 wieder für Gottesdienste geweiht werden.

Wenceslaikirche

Baugeschichte der St. Wenceslaikirche Wurzen

Die Stadtkirche St. Wenceslai liegt außerhalb der Stadtmauern der bürgerlichen Stadt, was für eine Stadtkirche in Deutschland sehr ungewöhnlich ist.

1275 erstmals als Pfarrkirche des neuen Marktes erwähnt

1340 wurde die Kirche der bischöflichen Gewalt unterstellt

1513 nach dem baulichen Verfall erfolgte unter dem Bischof Johann VI. von Salhausen ein Neubau als spätgotische dreischiffige Hallenkirche mit einem
mächtigen Westturm. Der geplante Einbau eines Gewölbes des Schiffes kam über die Errichtung der Pfeiler nicht hinaus.

1637 teilweise Zerstörung der Kirche während der Kreuz- und Marterwoche durch schwedische Truppen. Die Inneneinrichtung verbrannte.

1660 erfolgte der Wiederaufbau mit einer reichen barocken Inneneinrichtung.

1673 Der Chor erhielt wieder ein Gewölbe, das Schiff eine Kassettendecke

1873 erfolgte eine neogotische Erneuerung des Inneren durch den Leipziger Architekten Hugo

1878 Altendorff. Die barocke Einrichtung wurde bis auf die Kassettendecke entfernt

1903 Einbau einer pneumatischen, spätromantischen Jehmlich Orgel

1911     wird mit dem Einbau einer elektrischen Läuteanlage die städtische Arbeitsstelle eines Türmers aufgehoben.

1913     stiftete der Stadtrat Gustav Lieder die große Turmuhr.

1919     kam nach kriegsbedingter Abgabe der Bronzeglocken ein neues Geläut aus drei Stahlgussglocken zum Einsatz, das der Fabrikbesitzer Kaniß stiftete.

1927     wird die Kirche durch die Architekten Emil Högg (1867-1954) und Richard Müller (1877-1930) sowie den Malern Alexander Baranowsky (1874-1941)und Paul Zimmermann mit neuer Raumfassung renoviert. Erneuerung der Kassettendecke.

1964 – 1966 Einbau der Bleiglasfenster im Chor mit Szenen aus dem alten und neuen Testament nach Entwürfen von G. Schiffner aus Meißen

1975 Schließung der Kirche wegen Schwammbefalls. Ein Teil der Kassettendecke brach zusammen, der letzte Gottesdienst fand Heiligabend statt.

1973 – 1982 Neueindeckung des Schiffes und des Turmes

1982 – 1989 umfangreiche Sanierungsarbeiten im Chor und den Sakristeien, Teilung der Kirche durch Einbau einer Trennwand zum Chor; Die Weihe des Chorraums als Winterkirche erfolgte am 15.10.1989

1995 – 1997 Sanierung des Turmes und Einrichtung der Türmerwohnung mit Hilfe vieler Sach- und Geldspenden nach Vorlage des Originals; Einweihung am 13.9.1997

1999     wurde die Eule-Orgel in die Winterkirche eingebaut.

2004 – 2009 Sanierung der Fassaden, des Innenraumes, der Bleiglasfenster

2019    neues Bronzegeläut in einem neuen Glockenstuhl

Baubeschreibung und Ausstattung

Quelle: Georg Dehio – Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler – Sachsen II – Regierungsbezirke Leipzig und Chemnitz 1998

Putzbau mit steilem Satteldach, der niedrigere und eingezogene Chor mit 3/8-Schluss. Maßwerkfenster, im Langhaus zusätzlich spitzbogige Zwillingsfenster, letztere im 19. Jh. eingebaut. Der Westturm über quadratischem Grundriß mit barock geschweifter Haube und Laterne. Im Innern der im 19. Jd. Angebauten nördlichen Eingangshalle spätgotisches Portal. Nördlich, zwischen Chor und Langhaus ein im 19. Jd. veränderter Sakristeianbau.
Im Innerne der zweijochige erhöhte Chor mit Sterngewölbe. Das Kirchenschiff vierjochig, die einfache Kassettendecke von sechs achtseitig gebrochenen Pfeilern getragen. An vier Seiten breite Empor.
Neben der einfachen, noch verbliebenen neugotischen Ausstattung besonders erwähnenswert das spätgotische, lebensgroße Kruzifix mit vergoldetem Lendentuch Anfang 16. Jd., Taufstein aus Porphyr um 1600 und Grabsteine im Schiff